Mittagsgebet im St. Petri Dom 18.4.2018
Mittagsgebet St. Petri-Dom, Mi, 18.4.2018, 12 Uhr
„Stadtluft macht frei – kreativ Kirche sein“
Orgelmusik:
H-J
Im Namen des Vaters, des Sohnes und des Hl. Geistes!
Liebe Gemeinde und Brüder und Schwestern in Jesus Christus!
Herzlich willkommen heißen wir beide Sie alle zum heutigen Mittagsgebet im St. Petri-Dom in der Freien Hansestadt Bremen.
Ich bin Pastor Hans-Jürgen Jung und bin der Leiter des Ev. Informationszentrums mit dem Namen „Kapitel 8“ hier nebenan an der Domsheide 8.
Die „8“ bezeichnet dabei die Hausnummer und das Wort „Kapitel“ stammt vom Domkapitel bzw. Domkapitelhaus in früheren Jahrhunderten, der Wohnort der Geistlichkeit, des Domkapitels in einem Anbau an den St. Petri Dom.
Hier neben mir steht mein Kollege Hans-Peter Ostermair, vom katholischen Informationszentrum Atrium Kirche.
Ein Atrium ist in der römischen Architektur der zentrale Raum eines Hause und zugleich später auch der Vorhof einer Basilika. Das „Atrium Kirche“ ist auf dem Vorplatz der Propsteikirche St. Johann hier im Schnoor.
Nicht nur durch uns beide, den Leitungen des evangelischen und katholischen Informationszentrums hier im Stadtstaat Bremen und Bremerhaven, handelt es sich heute hier um ein wahrhaft ökumenisches Mittagsgebet.
Denn da sind heute Sie, die Besucherinnen und Besucher, die Sie hierher in den St. Petri Dom zum Mittagsgebet gekommen sind.
Manche von Ihnen vielleicht eher zufällig, nebenbei und passager, die Mittagspause oder den Stadtbummel unterbrechend. Andere hier sind eher gezielt von zu Hause aufgebrochen, mit Fahrrad, Bus, Straßenbahn, Auto, Zug, oder Flieger hierher nach Bremen gekommen.
Denn etwa 123 von Ihnen heute hier sind ebenso wie Hans Peter Ostermair und ich Vertreterinnen und Vertreter von Stadtkirchenprojekten. Wir beide haben Euch und Sie zu einer Netzwerktagung eingeladen.
Und so vertreten etwa 31 der hier Anwesenden evangelische, 88 vertreten katholische und 9 Menschen vertreten ökumenische Einrichtungen.
Auch Ihr und Sie, unsere Gäste hier in Bremen, machen eine ähnliche Arbeit in und für Ihre Stadt wie Kapitel 8 und Atrium Kirche.
Manche haben eine Kirche dabei, so wie hier in Bremen die evangelischen Kirchen St. Petri Dom, Unser Lieben Frauen am Marktplatz, die Kulturkirche St. Stephani und die katholische Kirche St. Johann im Schnoor in der Innenstadt- und Stadtkirchenarbeit aktiv sind. Manche arbeiten zusammen mit diakonisch-karitative Einrichtungen ähnlich wie in Bremen die Cityseelsorge oder der Bremer Treff.
Und diese Vielfalt von Arbeitsformen und kirchlichen Arbeitsfeldern - Information und Beratung, Diakonie bzw. Caritas, Seelsorge und Kultur - bleibt immer auf die Menschen in der Stadt bezogen.
„Stadtluft macht frei – kreativ Kirche sein“ heißt bis Freitag unser Tagungsthema. Eingeladen nach Bremen haben wir mit dem bekannten Zitat aus den Bremer Stadtmusikanten: „Etwas Besseres als den Tod findest du überall…“ und wir freuen uns, dass nicht nur die vier Flüchtenden im Grimm’schen Märchen, sondern auch Ihr und Sie aufgebrochen seid und sich aus Deutschland, Luzern in der Schweiz, Innsbruck und Linz in Österreich und Straßburg in Frankreich hierher auf den Weg nach Bremen gemacht haben. Wir hier in Bremen möchten gute Gastgeberinnen und Gastgeber für Sie und Euch sein und als Christen und Christinnen in der Stadt leben und zu ihrem Wohl arbeiten.
Nach diesem Mittagsgebet als Auftakt und dem anschließenden Mittagessen im Kapitelhaus an der Domsheide werdet Ihr und Sie als Gäste der Bremischen Evangelischen Kirche, des katholischen Dekanats Bremen und heute Abend der Stadt Bremen -vertreten durch den Präsidenten der Bürgerschaft Christian Weber - hoffentlich mit Bremen eine Stadt kennenlernen, in der Stadtluft frei machen kann.
(Für gutes Wetter haben wir im Vorfeld gesorgt.)
H-P
„Stadtluft macht frei“, ein Rechtsgrundsatz aus dem Mittelalter, nach dem ein Leibeigener, der in der Stadt wohnte, nach einer gewissen Frist nicht mehr von seinem Besitzer zurückgefordert werden konnte. Deshalb setzten sich immer mehr Leibeigene in die Städte ab, wo sie für ihre Grundherren zumeist unauffindbar waren. Sie wurde frei! Die alten Strukturen wurden dadurch zerbrochen, eine neue Zeit brach an, für die Menschen in der Stadt.
Stadt wurde zum Synonym für „Neuanfang“, für „freie Entfaltung“ und dafür steht sie heute noch.
In der Stadt ist man frei, weil die soziale Kontrolle einer engen Dorfgemeinschaft wegfällt. Den Nachbarn kümmerts nicht, was wir „tun und lassen“. Das trägt bei zu großer Anonymität, aber auch zu einem starken Gefühl der Freiheit. Wir leben unsere Persönlichkeit aus, ohne jemandem Rechenschaft ablegen zu müssen, wir setzen unsere Individualität frei, wagen es anders zu sein und finden dafür auch wieder Gleichgesinnte.
Die Folge ist Buntheit, Kreativität und Vielfalt. Das ist gut und erstrebenswert.
Aber was bedeutet das für Kirche? Entfernt sich eine Kirche, die noch in den alten Strukturen steckt, nicht zwangsläufig immer weiter von den Menschen, die sich befreit haben, die in großer Pluralität und Individualität leben? Ja, das tut sie.
Wir können also so weitermachen, wir wir’s immer gemacht haben und dadurch immer mehr die Bindung zu den Menschen verlieren.
Oder wir können den Geist der Stadt, den Geist des Aufbruchs, des Mutes, des neuen Anfangs aufsaugen und neue Wege einschlagen.
Nehmen wir uns ein Beispiel an den Bremer Stadtmusikanten. Keiner will mehr in die alten Strukturen zurück, in denen alle nur gelitten haben. Was Besseres als den Tod findest du überall, spricht der Esel seinen Leidensgenossen zu und überzeugt damit.
Genau so müssen wir uns auch als Kirchenarbeiter und Gläubige entscheiden. So weitermachen, weiter leiden und den Untergang verwalten, oder Aufbruch: Ja, ins Ungewisse, das stimmt. Keiner kann Garantien geben. Aber was haben wir schon zu verlieren. Was Besseres als das langsame Abgleiten in die Bedeutungslosigkeit finden wir überall.
„Siehe, nun mache ich etwas Neues. Schon sprießt es, merkt ihr es nicht?!“, heißt es bei Jesaja.
Lasst nicht Zukunftsangst und Zweifel unsere Berater sein, sondern lasst uns vielmehr auf den Geist Gottes vertrauen. Auf den Geist, der entflammt, der neue Visionen in die Köpfe setzt, der zum Aufbruch stärkt, der keine Angst kennt vor Veränderung, sondern sie als große Chance begreift.
H-J
Im Märchen kommen die Bremer Stadtmusikanten nie in Bremen an.
Esel, Hund, Katze und Hahn bleiben im Wald im Räuberhaus.
Es heißt am Ende: „Von nun an getrauten sich die Räuber nicht weiter in das Haus, den vier Bremer Musikanten gefiel's aber so wohl darin, dass sie nicht wieder heraus wollten.“
Von den vieren, die aus ihrem Elend aufgebrochen sind und in die Stadt Bremen wollten, um dort Musik zu machen, wird leider nicht mehr erzählt. Aber ich kann mir gut vorstellen, dass sie im Räuberhaus zusammen Musik gemacht haben. Vielleicht etwas schräg, aber auf jeden Fall vielstimmig. Und jeder einzelne der vier hat im Räuberhaus die Freiheit und „etwas Besseres als den Tod“ gefunden.
Und ich glaube, wir beide vertrauen, dass es darauf ankommt. Im Glauben und im Leben. Für uns als einzelne und im Team, im Familien- und Freundeskreis, in Stadt und Land, in Kirche und Gesellschaft. Auch wenn uns das eigene Leben, die eigenen sozialen Netze, die eigene Stadt manchmal wie ein Räuberhaus vorkommt.
Gottes Segen trägt, sein Geist weht, das gefällt uns so wohl, dass wir auch im Räuberhaus vielstimmig mitspielen.
Deshalb Gottes Geist ist frischer Wind auch in und für die Stadt – Stadtluft macht frei – wir alle jede und jeder sind schon kreativ Kirche, aber unsere Wege und Gottes neue Wege mit uns sind noch nicht zu Ende.
Amen
Lied EG 395,1-3 Vertraut den neuen Wegen
Vater unser
Segen
Orgelmusik