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Die Zukunft der Kirche: ZAP-Kongress und #WeWonder 13.-15.2.2017

ZAP-Kongress

am 13. und 14.2. lud das „Zentrum für Angewandte Pastoraltheologie“ (ZAP) der Ruhr-Uni Bochum ein zum „ZAP-Kongress“ unter dem Titel „für eine Kirche, die Platz macht“.

Etwa 480 Teilnehmerinnen und Teilnehmer trafen sich im Veranstaltungszentrum der Universität.

1. Vortrag von Professor Sellmann

Eröffnung des ZAP-KongressesProfessor Sellmann nimmt in seinem Vortrag die Erfahrung vieler Kirchengemeinden auf, dass „Platz haben“ für sie oft eine Kränkungserfahrung ist: „Unsere Kirche wird nicht voll, niemand interessiert sich für uns.“ Viele diözesane Leitdokumente spielen mit der Raum-Metapher; Raum und Platz sind eine neue Problemkategorie. Kirche muss weichen und Platz machen. „Das echte Leben aber scheint woanders stattzufinden“.

Die Kränkung, die damit zusammenhängt, entsteht insbesondere durch das dahinter stehende Bild einer Kirche, die den ganzen Raum durchdringt und ihn auch normiert.

Dagegen setzt Sellmann eine neue Idee des „Raums als Gelegenheit“. Raum solle neu und anders theologisch gedacht werden. „Eine Kirche, die Platz macht, ist eine, die nicht mehr den umgebenden Raum auf sich bezieht, sondern sich auf den Raum.“ Und dieser Raum wird viel stärker als früher „sozial konstruiert“ statt lokal gedacht. Damit wandelt sich auch der pastorale Raum von der Betonung der Geografie zur Wahrnehmung von Gelegenheiten.

Ziel einer „Kirche, die Platz macht“ ist dann nicht mehr Kirche als Kirche, sondern die Stadt, die Welt. „Die Welt ist das Wofür der Kirche“. Wir „machen“ Kirche nicht um der Kirche willen, sondern für die Stadt. Für die Menschen.

Im Unterschied zu säkularen Angeboten fragt Kirche aber danach, was unser Reden von Gott und unser Glauben zur Gesellschaft beitragen kann. „Die Taufe ist dann nicht die Eintrittskarte in eine Gemeinde, sondern in eine religiös gedeutete Welt.“

Was macht eine solche Kirche, was macht Christen dann aus? „Die These lautet: Sie wird gebildet aus Menschen, deren Gotteserfahrung sie dazu befähigt und motiviert, „höflich“ und „großzügig“ zu sein.“ Daran soll man Christen erkennen: Sie sind höflich und großzügig. Und sie erzählen davon, „dass wer so lebt, einen Rückenwind erfährt, den die Kirche Gott nennt und der aber auch jeden schiebt, der diesen Namen nicht zu nennen wagt.“

Der Vortrag wird demnächst in der Zeitschrift Diakonia veröffentlicht.

2. Panels

Im Anschluss an den Vortrag teilte sich der Kongress in 9 „Panels“, die stark handlungsorientierte Impulse für die Arbeit vor Ort gaben:

  1. Führen – wie eröffnet kirchliche Hierarchie Handlungs- und Freiheitsräume?
  2. Urbanes Performing – wie wird die City zum Erfolgsraum kirchlicher Präsenz?
  3. Pastoral planen und evaluieren – wie können Steuerungs- und Messinstrumente kirchliche Lernprozesse befördern?
  4. Netzwerke modellieren – wie organisiert man Netzwerkbeziehungen im großen pastoralen Raum?
  5. Charismen entdecken – wie wird Kirche zum Entfaltungsraum für ehrenamtlich Engagierte?
  6. Start-ups gründen – wie wird eine pastorale Vision zu einer erfolgreichen Realität?
  7. Storytelling – wie erzählt man den Glauben so, dass es jede/r hören will?
  8. Virtuos kommunizieren – wie eröffnet man Kommunikationsräume in digitalen Kulturwelten?
  9. Lebensstile präzise erfassen – welche Bedeutung hat die gegenwärtige Lebensstilforschung für die Seelsorge?

3. Gala

Den Abschluss des Tages bildete eine „Gala“ in der Mensa der Universität, in der das ZAP sein dreijähriges Bestehen feierte und zum ersten Mal den ZAP-Innovationspreis verlieh. Dompropst Gerd Bachner wurde damit für sein Engagement bei der Realisierung der Veranstaltung „SilentMOD“ im Kölner Dom gewürdigt.

Zum Abschluss des Abends gab Professor Sellmann weitreichende Zukunftspläne des ZAP bekannt. So wird es eine „Zweigstelle“ in Freiburg geben. Eine GmbH soll für die praktischen Projekte des ZAP verantwortlich zeichnen; daneben wurde eine Stiftung als Dachorganisation gegründet.

4. Dienstag Vormittag

Der zweite Tag bestand weitgehend aus einer Art „Markt der Möglichkeiten“ ohne festes Programm. Die Teilnehmenden konnten die Ergebnisse und Erkenntnisse der verschiedenen Panels an einzelnen Ständen aufnehmen und mit den Verantwortlichen sowie anderen Teilnehmenden ins Gespräch kommen. Dies war eine gute Gelegenheit, Kontakte zu knüpfen; insgesamt war es aber doch recht unstrukturiert. Einen gemeinsamen Abschluss gab es nicht, so dass sich der Saal im Laufe der Zeit deutlich leerte.

Insgesamt bot das ZAP hier eine perfekt organisierte Tagung auf sehr hohem inhaltlichen Niveau in professionell ausgestatteten Räumlichkeiten, das vom größtenteils katholisch geprägten Fachpublikum sehr gut angenommen wurde.

 

#WeWonder

Eröffnung von #wewonderGrößer könnte der Kontrast kaum sein für diejenigen, die am Nachmittag gleich nach Hannover zu „W@nder“ wechselten. Diese Veranstaltung der ökumenischen Bewegung Kirche² war schon von der Location völlig anders: Im Kulturzentrum „Eisfabrik“, einer in der Tat ehemaligen Eisfabrik mit rohen Wänden, einfachen Sitzgelegenheiten, Papphockern usw. kam eine ganz andere Atmosphäre auf. Das 120-köpfige Publikum bunt gemischt, deutlich jünger und wesentlich Internet-affiner: Während unter dem Hashtag #zapkongress nur ganz wenige twitterten, war #wewonder schon relativ kurz nach Beginn der Veranstaltung in den Twitter-Trends.

Auch die Zielrichtung der Veranstaltung war eine völlig andere. Hatte der ZAP-Kongress nach dem grundsätzlichen Referat von Prof. Sellmann das Augenmerk stark auf praktische Beispiele gerichtet, ging es hier eher um die (gegenseitige) Bestärkung im Pionier-Sein. Sah man beim ZAP-Kongress in großer Anzahl (weitgehend katholische) Hauptamtliche und Funktionäre, richtete sich W@ander an Menschen, die unter ihrem Fremdsein in der Kirche leiden. Das können durchaus auch Hauptamtliche sein, aber eben nicht nur. Die Botschaft der Tagung könnte man in etwa so zusammenfassen: „Nicht hineinzupassen, ist eine Gabe Gottes – mach etwas draus. Geh deinen Weg.“ In diese Richtung gingen auch die Vorträge von Jonny Baker, Director Pioneer Mission Education, Church Mission Society, Oxford sowie von Anna Brandes, Gründerin und Inhaberin von WALDLICHTUNG - Ideen & Raum für Inspiration.

Zwar ging es insbesondere in der nachmittäglichen „Barcamp-Phase“, in der Teilnehmende selbst inhaltiche Angebote machen konnte, auch um die konkrete Praxis, doch der Tenor der gesamten Veranstaltung war deutlich: Wir stehen als Pionierinnen und Pioniere der Kirche in der Kirche zwar manchmal im Abseits, doch hier stehen wir (auch ökumenisch) zusammen. Wir sind „loyale Radikale“. Unser Dienst ist wichtig für die Weiterentwicklung der Kirche, unser Nicht-Hineinpassen eine Gabe Gottes. Eindrücklich wurde das auch deutlich im abschließenden ökumenischen Gottesdienst, der von der evangelischen Pfarrerin Birgit Mattausch und dem katholischen Pfarrer Daniel Konnemann verantwortet wurde und mit einer ungewöhnlichen und bewegenden „Segnungsliturgie“ beendet wurde.

 

Fazit

Zwei Tagungen zur Zukunft der Kirche, die von Ausrichtung, Publikum und Inhalt unterschiedlicher kaum sein könnten: Diese drei Tage umrissen für diejenigen, die an beiden Tagungen teilnahmen, sehr eindrücklich, wie weit gefasst die Vorstellungen, Ideen und auch Ansatzpunkte für eine Weiterentwicklung der Kirche sind. Gut, dass es beides gibt: Das hochprofessionelle Uni-Institut und die basis- und gabenorientierte ökumenische Gemeinschaft von Kirche². Die Zukunft der Kirche hat schon längst begonnen.

Links

www.zap-kongress.de

www.kirchehochzwei.de/cms/content/dokumentation

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